Gretel in der Jauchegrube

An diesem Tag im September 1970 war ausgemacht, dass wir uns gegen 20.00 Uhr im Scharfen Eck treffen, um in Ruhe zwei, drei Bier zu trinken. Wie immer kam ich etwas zu spät in die Wirtschaft, aber meine Freunde waren nicht da. Also guckte ich im Bäckergässchen nach - auch nichts. 
Da kamen Bekannte vorbei, die mir ganz aufgeregt erzählten: „Die Gretel is in die Puddelkaut gefalle.“
„Was?“, erwiderte ich, „die Frau Gretel W.?“
„Nein“, war die Antwort, „em Heine soin Gaul.
Sofort eilte ich zur Jauchegrube an der Kirchenpforte. Menschenauflauf, Feuerwehreinsatz   das volle Programm. Die Berufsfeuerwehr hatte bereits einen Dreibock mit Hebeeinrichtungen aufgebaut. Gerade wurden die ersten Lichtmasten zur Beleuchtung aufgestellt. Das arme Pferd stand bis zum Bauch in der Jauche. Doch was war das? Ich traute meinen Augen nicht. Heinz, mein Bierfreund und freiwilliger Feuerwehrmann, stand, bekleidet mit einem gummierten Schutzanzug der Berufsfeuerwehr, in der Jauchegrube. Unterstützt von Kumpel Dieter war er damit beschäftigt, der verstörten Gretel Bauchgurte anzulegen. Die Anweisungen dazu gab Dieters Vater Hannes, seines Zeichens Pferdekenner. 
Heine, der Besitzer des armen Tieres, sprach seinem lieb gewonnenen Kaltblutpferd gut zu, während er ihm Heu und Karotten reichte. Die hochbetagte brave Gretel verhielt sich lobeswert ruhig. Schließlich gab Hannes die Anweisung, das verängstige Tier vorsichtig und behutsam anzuheben. Es gelang hervorragend. Sofort wurde die Grube wieder abgedeckt. Ein Nachbar hatte einige der Bretter abgeräumt. Warum auch immer!
Heine und Gretel waren zufrieden und wohlauf. Auch alle Helfer und Zuschauer bekamen wieder gute Laune. Danach genossen wir unser Bierchen.
Wochen später kam die Rechnung von der Berufsfeuerwehr für die Hilfeleistung in den Abendstunden am 30.09.1970: 524,13 DM. Alle anderen hatten zum Glück einfach so und unentgeltlich mitgeholfen.

Winfried Schmitt 

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